Die Gefährdungsbeurteilung hilft Gefährdungen am Arbeitsplatz zu ermitteln, zu beurteilen und zeigt, ob und wo Handlungsbedarf bestehtGefährdungsbeurteilung
Eine Gefährdungsbeurteilung in einem Handwerksbetrieb? Muss das sein?
Ja: Jeder Betrieb mit Beschäftigten – es spielt keine Rolle, mit wie vielen Mitarbeitern – muss eine Gefährdungsbeurteilung vornehmen.
Mit der Gefährdungsbeurteilung werden:
• Gefährdungen und Belastungen der Beschäftigten systematisch ermittelt,
• das Risiko der ermittelten Gefährdungen beurteilt und
• Schutzmaßnahmen wie z. B. erforderliche persönliche Schutzausrüstung festgelegt.
Stellen Sie sich vor, Sie könnten Ihren Beruf gesundheitsbedingt nicht mehr ausüben. Oder Sie würden qualifizierte, erfahrene Mitarbeiter verlieren. Ein Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit kann auch für den Betrieb gravierende Folgen haben. Die Gefährdungsbeurteilung ist Werkzeug für die Verantwortlichen im Betrieb und trägt dazu bei, Wirtschaftlichkeit, Wettbewerbsfähigkeit und das Unternehmensimage durch verantwortliches Handeln zu verbessern. Rechtzeitig erkannte Gefährdungen und geeignete Maßnahmen verhindern Störungen bei der Arbeit und vermindern wirtschaftliche Verluste, senken unfall- und krankheitsbedingte Ausfälle der Beschäftigten, tragen zur Qualitätssicherung bei und verbessern die Arbeitsbedingungen.
Wichtig ist, dass Sie sich die potentiellen Gefahren in Ihrem Betrieb (frühzeitig) bewusst machen und erkennen, wo Handlungsbedarf besteht - bevor etwas passiert!
Wie die Beurteilung vorgenommen werden soll, ist nicht in Gesetzen oder Vorschriften geregelt. In der Wahl der Methode und der Dokumentation ist der Verantwortliche im Betrieb frei.
Die wesentlichen Schritte der Gefährdungsbeurteilung
1. Arbeitsbereiche und Tätigkeiten festlegen
Legen Sie systematisch die Arbeitsbereiche in Ihrem Betrieb fest, indem Sie dabei Arbeitsplätze, Tätigkeiten oder Arbeiten mit gleichen Arbeitsmitteln zu je einem Arbeitsbereich zusammen fassen.
Sonderfall "Personenbezogene Gefährdungsbeurteilung": Für werdende oder stillende Mütter und für Jugendliche ist eine personenbezogene Gefährdungsbeurteilung gesetzlich vorgeschrieben.
2. Gefährdungen ermitteln
Grundsätzlich müssen nur die tatsächlich vorhandenen Gefährdungen, die typisch für den betreffenden Arbeitsplatz sind und die Beschäftigten am Arbeitsplatz betreffen können, erfasst werden.
Zu berücksichtigen sind sowohl Gefährdungen, die zu Unfällen führen können, als auch arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren. Mögliche Unfälle, wie beispielsweise durch Schneiden, Quetschen, Ausrutschen, Verbrennungen oder einen elektrischen Schlag, sind offensichtliche Gefährdungen. Gefährdungen ergeben sich insbesondere durch:
- die Auswahl, den Einsatz und den Zustand von Arbeitsmitteln (Maschinen, Geräte, Anlagen, Werkzeuge) und Arbeitsstoffen (Gefahrstoffe),
- den Umgang mit den zu bearbeitenden Arbeitsgegenständen,
- die Einrichtung der Arbeitsstätte einschließlich aller Verkehrswege, Arbeits-, Lager-, Sanitär-, Aufenthaltsräume und des Arbeitsplatzes,
- die Arbeits- und Fertigungsverfahren,
- die Arbeitsorganisation (Arbeitsabläufe, Arbeitsteilung, Arbeitszeit, Pausen, Verantwortung,
- unzureichende Qualifikation, Fähigkeit und Fertigkeit sowie unzureichende Unterweisung der Beschäftigten,
- physikalische, chemische und biologische Belastungen, sowie psychische Belastungen bei der Arbeit.
Unter Belastungen versteht man gesundheitliche Beeinträchtigungen durch äußere Bedingungen und Anforderungen, beispielsweise langes Stehen, ergonomisch ungünstige Körperhaltungen, lange Feuchtarbeit, Stress durch Zeitdruck, durch Überforderung oder durch Monotonie.
Erkenntnisse aus bereits aufgetretenen Ereignissen, z. B. Unfällen und Beinahe-Unfällen, werden in die Gefährdungsermittlung einbezogen. Mitarbeiter können wertvolle Hinweise geben: Fragen Sie regelmäßig nach beobachteten Mängeln oder nach Belastungen und Beschwerden, die sich aus der Arbeit ergeben könnten oder schon ereignet haben. Beinahe-Unfälle können Hinweise auf Sicherheitsmängel sein. Häufige Erkrankungen und wiederkehrende Beschwerden weisen eventuell auf Belastungen hin. Beteiligen Sie Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aktiv an allen Schritten der Gefährdungsbeurteilung. Gemeinsam entwickelte Problemlösungen schaffen Akzeptanz und erleichtern die Umsetzung der Maßnahmen.
3. Gefährdungen beurteilen
Für viele Gefährdungen gibt es Vorschriften und technische Regeln mit Grenzwerten. Diese werden jedoch von Jahr zu Jahr immer mehr zurück gezogen und die Einschätzung zur Risikobeurteilung den Verantwortungsträgern im Betrieb übertragen. Wie kann so eine Einschätzung erfolgen?
Zunächst mit zwei Fragen:
Wie wahrscheinlich ist in einer Arbeitssituation ein Unfall durch eine Gefährdung oder eine Erkrankung infolge von Belastungen?
Wie gravierend wären die Folgen?
Im nächsten Schritt hilft die Einteilung in drei Risiko-Gruppen:
Nicht akzeptable Risiken: Dies sind Unfälle oder Erkrankungen mit gravierenden Folgen. Es gilt auch dann, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass etwas passiert, eher gering ist.
Beispiel: Ein Stromschlag kann lebensgefährlich sein. Ein Gerät mit beschädigtem Stecker ist sofort aus dem Verkehr zu ziehen.
Mittel- bis langfristig nicht tolerable Risiken: Belastungen haben oft keine unmittelbaren gesundheitlichen Folgen, sie können aber mittelfristig der Gesundheit schaden. Ein Unfallrisiko, das man in einer dringenden Situation eingeht, darf nicht langfristig Teil der Arbeitssituation bleiben. Solche Gefährdungen und Belastungen sind mittel- oder langfristig nicht akzeptabel.
Beispiel: Der Umgang mit Chemikalien die die Haut stark belasten und immer wieder zu Hautkrankheiten und Allergien führen.
Akzeptable allgemeine Lebensrisiken: Höchst unwahrscheinliche oder Bagatellunfälle zählen zu den sogenannten allgemeinen Lebensrisiken. Diese gelten als akzeptabel. Es besteht somit kein Handlungsbedarf. Es sollte aber geprüft werden, ob grundsätzlich Verbesserungen möglich sind.
4. Maßnahmen festlegen
Es gilt eine einfache Rangfolge für Maßnahmen:
In erster Linie müssen Gefahrenquellen beseitigt werden, z.B. indem eine gefährliche Maschine oder ein gefährlicher Stoff durch ein ungefährliches Produkt ersetzt wird. Wenn das nicht möglich ist, müssen die Risiken – vorrangig durch technische und organisatorische Schutzmaßnahmen – minimiert werden, z. B. durch technische Vorrichtungen wie die Verkleidung von Gefahrstellen, eine Reduzierung der Aufenthaltsdauer in einem Lärmbereich oder Arbeitsabläufe so zu gestalten, dass Gefährdungen reduziert werden. Erst dann sind die personenbezogenen Schutzmaßnahmen zu verwenden wie z. B. die Verwendungen von Handschuhen beim Umgang mit belastenden Stoffen.
Alle festgelegten Maßnahmen sind in der Gefährdungsbeurteilung zu dokumentieren.
5. Maßnahmen durchführen
Es ist eindeutig festzulegen, "wer" "was" und bis "wann" macht. Es ist darauf zu achten, dass durch die Maßnahmen keine neuen Gefährdungen entstehen.
Wichtig ist auch bei diesem Schritt, Mitarbeiter frühzeitig an der Umsetzung der Maßnahmen zu beteiligen, um Verständnis und Akzeptanz zu erreichen.
6. Wirksamkeit überprüfen
Die Durchführung und Wirksamkeit der Maßnahmen sollte direkt nach den vereinbarten Terminen und dann in festgelegten Abständen fortlaufend überprüft werden. Dabei ist zu beachten, ob die Gefährdungen auch wirklich beseitigt sind und ob durch die Maßnahmen eventuell neue, zusätzliche Gefährdungen entstanden sind. Die Ergebnisse der Überprüfung werden notiert, sie sind Bestandteil der Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung.
Was mache ich, wenn eine Gefährdung nicht vollständig beseitigt wurde? Es ist zu untersuchen, warum diese Gefährdung noch besteht. Wenn sich bestimmte Gefährdungen ständig wiederholen, sollten Fachleute hinzugezogen werden. Maßnahmen sind erneut zu bestimmen, um die Gefährdung zu beseitigen und abschließend die Wirksamkeit sicherzustellen.
7. Gefährdungsbeurteilung fortschreiben
Mit der einmaligen bzw. erstmaligen Erstellung der Gefährdungsbeurteilung ist diese "nicht in Stein gemeißelt". Die Gefährdungsbeurteilung wird immer aktualisiert, wenn Gefährdungen und Belastungen weiterbestehen oder neue Gefährdungen im Betrieb aufgetreten sind oder auftreten könnten.
Wann wird die Gefährdungsbeurteilung durchgeführt?
Eine Gefährdungsbeurteilung wird durchgeführt:
- als Erstbeurteilung an allen bestehenden Arbeitsplätzen.
bei maßgeblichen Veränderungen im Betrieb, wie zum Beispiel:
- Einführung neuer Arbeitsabläufe oder Arbeitsplätze,
- wesentlichen Änderung von Arbeitsmethoden,
- wesentliche Änderung der Arbeitsorganisation,
- Einsatz anderer Arbeitsstoffe, insbesondere Gefahrstoffe,
- Neubeschaffung von Maschinen, Geräten und Einrichtungen,
- wesentlichen Instandsetzungsmaßnahmen.
- bei Änderungen von Rahmenbedingungen an die sich der Betrieb halten muss, z.B. bei Änderung von Rechtsvorschriften, Verordnungen, etc. oder bei neuen arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen bzw. Veränderungen des Standes der Technik,
- nach Störfällen und Havarien sowie nach dem Auftreten von Arbeitsunfällen, Beinahe-Unfällen, relevanten Erkenntnissen aus der arbeitsmedizinischen Vorsorge, Berufskrankheiten oder Fehlzeiten infolge arbeitsbedingter Gesundheitsbeeinträchtigungen.
Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung
Warum muss eine Dokumentation erstellt werden?
Die Dokumentation ist die Basis für viele andere wichtige Themen des Arbeitsschutzes, wie z. B. Unterweisungen. Ebenso erleichtert sie es Maßnahmen, Verantwortliche und Termine für die Durchführung der Arbeitsschutzmaßnahmen zu überblicken und nachzuverfolgen.
Außerdem existiert mit diesen schriftlichen Unterlagen im Schadensfall ein Nachweis gegenüber den staatlichen Arbeitsschutzbehörden und der Berufsgenossenschaft, dass die vorgeschriebenen Anforderungen im Arbeitsschutz erfüllt wurden.
Was soll eine Dokumentation enthalten?
Sie sollte das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung abbilden:
- Welchen Gefährdungen sind die Mitarbeiter ausgesetzt?
- Wie groß ist das Ausmaß der Gefährdungen?
- Ist das Risiko vernachlässigbar, kurzfristig akzeptabel oder nicht akzeptabel bzw. sind Maßnahmen erforderlich?
- Wie dringlich ist die Beseitigung der Gefährdungen?
Die festgelegten Maßnahmen sind ein wichtiger Bestandteil der Dokumentation:
- Welche Maßnahmen sind durchzuführen?
- Wer ist für die Durchführung verantwortlich?
- Bis wann sind die Maßnahmen zu realisieren?
Und das Ergebnis der Überprüfung:
- Wie wirksam sind die bereits durchgeführten Maßnahmen?
- Was muss zusätzlich veranlasst werden?
In welcher Form muss die Dokumentation vorliegen?
Die Dokumentation muss in schriftlicher Form erfolgen. Aber ein unnötiger Dokumentationsaufwand sollte vermieden werden:
Es kann geprüft werden, welche Angaben zu Gefährdungen bereits gemacht wurden. Die Dokumentation ist nicht als eigenständiger Schritt zu verstehen, sondern gilt von der Vorbereitung bis zur Fortschreibung für die gesamte Gefährdungsbeurteilung.
Psychische Gefährdung
Das Arbeitsschutzgesetz fordert explizit die Berücksichtigung der psychischen Belastung in der Gefährdungsbeurteilung. Das heißt:
Die Verantwortlichen im Betrieb müssen jene Gefährdungen für ihre Beschäftigten ermitteln, die sich aus der psychischen Belastung bei der Arbeit ergeben. Auf die Arbeit bezogen sind psychische Belastungen die Gesamtheit der Anforderungen, die aus der Tätigkeit entstehen. Psychische Belastung kommt bei allen Tätigkeiten vor und betrifft alle Menschen.
Für die Betriebe ist es wichtig zu wissen, dass es nicht um die Beurteilung der psychischen Verfassung oder Gesundheit der Beschäftigten geht. Vielmehr steht die Beurteilung und Gestaltung der Arbeitsbedingungen mit dem Ziel im Fokus, Gefährdungen durch die psychische Belastung der Arbeit zu minimieren. Bedeutsam sind in diesem Zusammenhang:
- die Arbeitsinhalte,
- die Arbeitsorganisation, (unter anderem die Arbeitszeitgestaltung),
- die sozialen Beziehungen bei der Arbeit,
- die Arbeitsumgebung..
Ziel ist es nicht, die psychischen Belastungen abzuschaffen oder zu beseitigen, sondern es geht darum, vorhandene und vermeidbare Belastungen menschengerecht zu gestalten.
Handlungshilfen
Eine Sammlung von hilfreichen Informationen zu Handlungshilfen der Berufsgenossenschaften finden Sie im Menüpunkt LINKS.